Übernimmt die Medienprominenz den Effekt, der früher dem Adel zustand? Sie stellen die Elite dar?
Sie werden beneidet, sie werden bewundert und sie sind meinungsführend in bestimmten Bereichen. Wo der Adel mit der Aufklärung ausgedient hat, übernehmen die Prominenten diese Rolle?
Es ist schwer auszumachen, wann es begann, aber es hat seine Ursprünge vermutlich in der Gruppendynamik. Einige Menschen pflegten mehr Prestige zu erwerben als andere. Dabei geht es weniger um Sympathien als mehr um die Frage des Ansehens. So ist auch ein negativer Ruf nicht Ruhm vertreibend. Aber die Bauern im Mittelalter wollten natürlich wie der Adel sein. Sie verachteten den ganzen Mumpitz nicht, sie wollten ihm nacheifern. Das sieht man am aufkommenden Bürgertum. Die ersten reichen Kaufmannsfamilien im endenden Mittelalter kauften sich ihren Adelstitel, kauften sich ihre Burgen und ihre Schlösser. So, das ist natürlich durch die Zeit bestimmt, lebte man prestigeträchtig. Man eiferte dem Adel nach, auch wenn das Konzept schon damals überholt war. Der Adel hielt sich dann aber noch bis zur Aufklärung vor 200 Jahren.
Die Arbeiter im Zeitalter des Bürgertums wollte wie die Bürger sein. Wieder eiferte man den Oberen der Gesellschaft nach und darum geht es denn auch: Die Untenstehenden wollen so sein wie die Obenstehenden. Sei es nun die Schicht, die Klasse oder der Stand. Es geht darum, dass man die Oberen gewundert und sein will wie sie.
Es gibt durchaus einige Vergleichsmomente und der Vergleich ist ja schließlich der Königsweg. Heutzutage ist es Usus, dass die Kinder von Prominenten ebenfalls prominent werden. Ob das nun die Schauspielenden oder die Musizierenden oder Sporttreibenden sind. Künftig wird dies sicherlich auch die Influencing-Branche betreffen. Woher die Prominenz rührt, ist offenbar einerlei. Ihre Kinder starten als bekannte Persönlichkeiten ins Leben und das Ticket dafür ist Aufmerksamkeit – neben Geld. Beides wird ihnen in die Wiege gelegt. Das ist wie das Erbrecht des mittelalterlichen Adels. Das war auch nicht immer schon so, das haben vor allem die Franken mit frühen Mittelalter eingeführt. Der Adel vererbte sein Königreich, sein Herzogtum oder was seinem Titel eben gebührte.
Und der Adel brauchte auch Hilfsadelige, sogenannte Edelfreie, die man landläufig auch Ritter nennt. Die Ritter waren der niedrigste Adel und der bestand aus einstigen Gehilfen, die immer nötiger geworden sind. Heute erfüllen die Trashpromis bei Big Brother oder derlei mehr denselben Effekt. Sie tun das, wofür sich der höhere Geldadel zu schade ist. Aber auch sie stützen das Quasi-Feudalsystem durch Anerkennung und Stabilisierung des Elfenbeinturms.
Die Promis werden heute nach ihrer Meinung gefragt, ungeachtet ihres Bildungsgrads. Und sie spielen dabei eine Vorbildrolle. Der Fußball ist ein schönes Allgemein-Beispiel dafür und die zahlreiche schambedürftigen Aussagen der Fußballspieler legen ein Zeugnis ab. Sicherlich fällt allen gerade ein Beispiel ein.
Sie verkörpern das, was sich die Unterschicht wünscht: Geld mit der bloßen Existenz zu verdienen respektive zu erhalten. Verdienen ist hierbei vielleicht das falsche Wort. Und obwohl die meisten Menschen, wie man an der Diskussion um das Bürgergeld gesehen hat, den anderen nichts gönnen, gönnen sie es den Prominenten – obwohl diese auch nicht arbeiten.
Diese Entwicklung hat sicherlich auch mit den aktuellen Umständen zu tun, die sich in der Geschichte des Mittelalters spiegeln. Je steiler das Gefälle zwischen oben und unten, desto eher kommt diese Bewunderung auf. Und derzeit haben wir eine Verteilung von Vermögen, wie dies im Kaiserreich der Fall war. Das war das Zeitalter des Manchesterkapitalismus und geprägt von Ausbeutung. Wie konnten die Menschen damals so leben, fragte man sich im Unterricht und heute haben wir dasselbe Muster. Die Geschichte wiederholt sich und wir täten gut daran, aus der Geschichte zu lernen.